Winzerin Christine: Die Herrin des Weinbergs
In Unterfranken, 16 Kilometer nördlich von Würzburg, liegt das beschauliche Retzbach mit seinen verwinkelten Gässchen und Straßen. Am Rande der Ortschaft: ein moderner, aufgeräumter Bau mit breiter Glasfassade. In den Scheiben spiegeln sich die umliegenden Weinberge. In dem Gebäude produziert die Jungwinzerin des Jahres 2013, Christine Pröstler, 37, ihre Frankenweine, u. a. Silvaner, Rotling und Bacchus. Neben dem Anbau auf 6,5 Hektar Weinbergen kümmert sie sich um Verarbeitung, Abfüllung, Vertrieb und Marketing. Dabei bedeutet Wein für die gelernte Winzerin und Diplom-Ingenieurin für Weinbau und Önologie viel mehr als die Finanzierung des Lebensunterhalts: „Wein steht für mich für Lebensfreude, Genuss und ein Leben im Einklang mit der Natur.“
Der Weg zum eigenen Wein
Den ersten Weinberg übernahm Christine Pröstler vom Vater, der auch heute noch die Weinstöcke pflegt. Dabei stellten ihre Eltern früher keinen eigenen Wein her, sondern lieferten die Trauben zur Verarbeitung an eine Winzergenossenschaft. Das änderte sich 2011, als Christine nach ersten praktischen Erfahrungen als Winemaker und Auslandsaufenthalten in Südafrika und Neuseeland beschloss, dass sie ihren eigenen Wein produzieren wollte. Ihre klaren, individuellen Weine sollten die Menschen begeistern. Mit 900 Litern fing sie damals an – verarbeitet und abgefüllt bei einem befreundeten Winzer aus Retzbach. Im Juni 2013 eröffnete sie dann ihr eigenes Gut inklusive Kellereianlagen und Vinothek. Heute verkauft sie jährlich rund 50.000 Flaschen. „Das Weingut war wirklich eine Investition fürs Leben“, bestätigt Christine. „Und es ist die Erfüllung eines lange gehegten Traums.“
Das Ziel: rebsortentypische Weine
Das Portfolio von Christine Pröstler ist erstaunlich vielfältig für den eher kleinen Betrieb: 17 verschiedene Weine und Schaumweine stehen zur Auswahl. Allen voran natürlich der für die Region bekannte Silvaner, aber auch Grau- und Weißburgunder, Riesling und ein Sauvignon Blanc finden sich auf der Weinkarte, die vorwiegend Weißweine zu bieten hat. Das warme Klima am Mainufer erlaubt sogar den Anbau roter Rebsorten wie Domina und Spätburgunder. Doch egal welchen ihrer Weine man kostet, alle zeichnen sich durch Klarheit und hohe Mineralität aus. „Mein Ziel sind klare, rebsortentypische Weine“, erläutert Pröstler ihre Wein-Philosophie. „Deshalb behandle ich meine Weine so schonend wie möglich.“
Das Jahr im Weinberg
Auf dem Weinberg gibt es das ganze Jahr über etwas zu tun. Denn „die Qualität eines Weines entsteht schon im Weinberg“, weiß Christine Pröstler. Auch deshalb werden die meisten Tätigkeiten in Handarbeit ausgeführt. So geht es im Januar und Februar los mit dem Rebschnitt: Altes Holz wird aus den Weinstöcken entfernt, bis nur noch die stärksten Ruten übrig sind, die anschließend angebunden werden. Die jungen Triebe werden dann im Mai „g‘steckt“, d. h. in einem Drahtrahmen befestigt. Im Juni haben die Pflanzen kurz Ruhe zum Blühen, bevor sie von ersten Fruchtansätzen befreit werden. Das steigert die Qualität. Bis Ende August stehen dann Laubarbeiten an, bei denen die Weinbauern auch Blätter abtrennen, um die Durchlüftung der Weinstöcke zu fördern und Pilzbefall vorzubeugen. Außerdem schneidet man kleinere Beeren ab, damit die noch hängenden Beeren mehr Kraft erhalten. Im September wird dann endlich geerntet, bevor die Winzer den Boden ein letztes Mal vor dem Winter umpflügen.
Viel Arbeit für perfekten Genuss
„Jeder Tag und jedes Jahr sind anders“, stellt Christine Pröstler fest. „Das ist immer wieder eine Herausforderung, weil wir von der Natur abhängig sind – und mit ihr arbeiten müssen.“ Doch das macht für die Mutter zweier Buben auch den Reiz aus. Ihr höchster Anspruch ist, gesunde und vollreife Trauben in den Keller zu bringen. Denn nur daraus könne man die besten Weine gewinnen. Die Arbeit im Keller beginnt für die Winzerin schon während der Weinlese: Gärkontrollen durchführen, filtrieren, umpumpen. Eine Arbeit für Perfektionisten: „Manche Weine probiere ich im Laufe der Zeit 20 Mal, bis ich wirklich sicher bin, dass er jetzt gut ist“, berichtet Pröstler. Dafür möchte sie auch ihre Kunden sensibilisieren: „Dem Konsumenten muss bewusst sein, wie viel Arbeit in jeder einzelnen Flasche steckt. Zum Glück wissen das mittlerweile immer mehr Leute zu schätzen.“
Unsere Winzerin Christine Pröstler im Gourmet-Magazin „Der FEINSCHMECKER“: Die jungen Erben des Bocksbeutels