Pflanzliche und tierische Lebensmittel gehören zusammen!

Foto: W. Windisch

Prof. Dr. Dr. habil. Wilhelm Windisch ist Ordinarius für Tierernährung an der TUM School of Life Sciences. Er befasst sich intensiv mit den Wechselwirkungen von Klima und Landwirtschaft, insbesondere den Auswirkungen der Nutztierhaltung und des Konsums tierischer Erzeugnisse. Er ist außerdem Vorsitzender des agrar- und forstwissenschaftlichen Beirats des Ökosozialen Forums, das sich für die Umsetzung dieses nachhaltigen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells auf österreichischer und europäischer Ebene einsetzt.

Können Verbraucher noch guten Gewissens Fleisch essen und Milch trinken? Wohin muss sich die Nutztierhaltung entwickeln, wenn es um den Schutz des Klimas geht? Wir haben Prof. Windisch um seine Einschätzung gebeten.


Unsere Bayerischen Bauern: Kühe stoßen Methan aus – ein Treibhausgas, das als besonders klimarelevant gilt. Warum widersprechen Sie dem Narrativ vom „Klimakiller Kuh“ trotzdem?

Prof. Windisch: Vereinfacht und etwas flapsig ausgedrückt: Nichts ist umsonst. Und zwischen der Ernährung einer weltweit wachsenden Bevölkerung und dem Schutz unseres Klimas besteht zweifellos ein Zielkonflikt. Das müssen wir im Bewusstsein haben, wenn wir über den Klimabeitrag von Rindern sprechen. Ja, die Kuh emittiert Methan. Und Methan ist ein Treibhausgas. Aber: Der Beitrag der Tierhaltung (das umfasst alle Tiere plus Güllelagerung) zum Gesamttreibhausgasaufkommen liegt bei gerade mal vier Prozent. Ich will nicht sagen, dass vier Prozent nichts sind, aber gemessen am Gesamtaufkommen und den Beiträgen anderer Großverursacher – Industrie, Verkehr, Privathaushalte – ist es eben ein sehr kleiner Beitrag. Und der lässt sich noch weiter reduzieren.


Aber ist Methan nicht sogar gefährlicher für das Klima als CO2?

Methan ist tatsächlich akut klimawirksamer – die Forschung spricht derzeit von einer etwa 85 mal so starken Wirkung wie CO2. Seine Halbwertzeit in der Atmosphäre liegt allerdings bei nur 8 Jahren. Nach 25 Jahren ist also nur noch ein Achtel der ursprünglichen Emission vorhanden. Neue Emissionen an Methan werden durch den schnellen Abbau früherer Emissionen rasch ausgeglichen, so dass die Methankonzentration in der Atmosphäre vergleichsweise konstant bleibt. Im Gegensatz dazu wird Kohlendioxid in der Atmosphäre fast überhaupt nicht abgebaut, weshalb der Verbrauch von fossiler Energie die CO2-Konzentration permanent ansteigen lässt. Aus diesem Grund wird der relative Beitrag von Methan zum Treibhauseffekt immer kleiner. Aber auch das verstellt uns den Blick auf die eigentliche Herausforderung. Wir müssen uns vielmehr fragen, welche Wirkung eine Maßnahme zur Reduzierung der Emissionen von Methan im Vergleich zu CO2 hat. Und da ist die Antwort eindeutig. Der Klimaeffekt einer Drosselung der Methanemission setzt wegen der kurzen Halbwertszeit zwar sehr schnell ein, wirkt dafür aber auch nur sehr kurze Zeit und wird vom langlebigen CO2 in wenigen Jahren wieder kompensiert. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Das Hauptziel des Klimaschutzes ist die Vermeidung von CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen und der Aufbau von CO2-Senken.


Müssten wir die Haltung von methan-erzeugenden Nutztieren nicht trotzdem einstellen?

Die Frage ist: Wenn wir auf die Lebensmittel verzichten, die diese Tiere produzieren, was essen wir stattdessen? Und welche Auswirkungen hat das auf das Klima? Das Methan entsteht ja überhaupt erst, weil Rinder die Fähigkeit besitzen, mithilfe ihres Pansens für den Menschen nicht essbare Biomasse zu verdauen. Das sind die Teile einer Pflanze, die der Mensch nicht verwerten kann, zum Beispiel Halme, Schalen, Schrot oder Kleie. Wiederkäuer verwandeln diese Teile in Milch und Fleisch, also Lebensmittel, die eine sehr hohe Verwertbarkeit für unseren Organismus besitzen. Und noch etwas: Die Kühe liefern den Dünger für den Boden gleich mit. Gülle ist ein wertvoller natürlicher Dünger, der den Humusaufbau – und damit die Fähigkeit des Bodens, CO2 zu speichern – sowie das Pflanzenwachstum fördert. Wiederkäuer sind ein essenzieller Bestandteil einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Die Methanemission ist sozusagen der Preis für den unschätzbaren Vorteil, dass Wiederkäuer höchstwertige Lebensmittel ohne Nahrungskonkurrenz bereitstellen können.


Kühe sind also ideale Resteverwerter?

So könnte man es sagen. Der überwiegende Teil einer Nutzpflanze besteht ja aus nicht essbarer Biomasse, selbst beim Getreide. Und: Rund 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind nicht ackerfähige Böden, also Grünland. Hier werden gar keine Lebensmittel angebaut. Erst durch die Kuh, die darauf grast oder die Silage aus nicht essbarer Biomasse frisst, entsteht auf dieser Fläche Nahrung für den Menschen. Insgesamt kommen auf ein Kilo essbarer Biomasse rund vier Kilo nicht essbare Biomasse. Aus diesem Grund greift auch das Argument nicht, dass Kühe zwangsläufig in Nahrungskonkurrenz zum Menschen stehen. Das passiert erst, wenn hochwertiges Futter in großen Mengen systematisch angebaut wird.


Aber das ist doch der Fall, oder nicht?

Selbst eine Hochleistungskuh produziert mindestens zwei Drittel ihrer Milch aus nicht essbarer Biomasse, also ohne Nahrungskonkurrenz. Und auch das oftmals geschmähte Kraftfutter steht nicht zwangsläufig in Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Allerdings wäre hier schon noch Luft nach oben, wenn wir das konsequent zu Ende denken.


Der Verzicht auf Fleisch und tierische Lebensmittel ist Ihrer Ansicht nach also keine Lösung des Klimakonflikts?

Da müssen wir genau hinschauen. Die heutige Tierproduktion ist sehr intensiv und verursacht tatsächlich hohe Emissionen. Aber das ist nur ein Argument gegen eine Intensität, die über dem Gleichgewicht einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft liegt, nicht gegen Fleisch und tierische Lebensmittel grundsätzlich. Schauen wir uns das doch mal an: Was passiert, wenn wir überhaupt kein Fleisch, keine Milch, keinen Käse etc. mehr zu uns nehmen? Dann müssen wir mehr pflanzliche Proteine aufnehmen. Die Erzeugung veganer Lebensmittel müsste massiv hochgefahren werden, um einen Ausgleich für das biologisch sehr hochwertige tierische Eiweiß zu schaffen. Das würde nicht nur zu einem höheren Flächenverbrauch führen, sondern auch zu einer intensiveren Nutzung dieser Flächen. Und da kein organischer Dünger in Form von Gülle mehr zur Verfügung stände, müssten die Böden mineralisch gedüngt werden, was mit einem erhöhten Energieaufwand bei der Erzeugung einherginge. Oder wir machen Gründüngung, verzichten mindestens jedes fünfte Jahr auf den Anbau von Nahrung und produzieren dadurch noch mehr nicht-essbare Biomasse, die wir nicht nutzten könnten. Insgesamt würden wir das Klima auf diese Weise nicht entlasten.


Wohin geht denn dann die Reise?

Die Reduktion von CO2 muss ganz oben auf der Agenda stehen – in der Landwirtschaft wie überall. Die Verminderung des Methanausstoßes sollte ebenfalls vorangetrieben werden – hier gibt es viele Möglichkeiten, allem voran die Verbesserung der Futtereffizienz des gesamten Haltungssystems der Nutztiere. Tierwohl und Tiergesundheit spielen hier eine sehr wichtige Rolle. Und weil Nahrungskonkurrenz in der Tierfütterung eben auch ein Klimafaktor ist, müssen wir beim Fleischverzehr genau hinsehen, was die jeweilige Tierart an Futter erhält. Geflügel zum Beispiel pickt überwiegend Getreide, steht also prinzipiell in Nahrungskonkurrenz zum Menschen.


Heißt das, wir müssen uns vom Frühstücksei oder der Hähnchenbrust verabschieden?

Nein, es ist nicht sinnvoll, Hähnchenfleisch oder Eier komplett vom Speiseplan zu streichen. Denn gleichzeitig hat Geflügel eine besonders hohe Futterverwertung – auf 1 kg Fleisch kommen rund 1,8 kg Futter, das ist unter allen Tierarten Spitze und wirkt sich positiv auf den CO2-Fußabdruck aus. Und ein Teil des an die Tiere verfütterten Getreides ist qualitativ ohnehin nicht für die Verwertung als Lebensmittel geeignet. Außerdem gibt es Versuche, den Eiweißbedarf der Federtiere vermehrt durch Insektenlarven zu decken, die wiederum mit Gemüseabfällen gefüttert werden.


Woran soll sich der Verbraucher dann halten?

Die Gretchenfrage ist die Fütterung der Tiere: Je geringer die Nahrungskonkurrenz der eingesetzten Futtermittel zum Menschen, desto klimafreundlicher. Schweine waren früher ja auch Abfallverwerter. Deshalb könnte man heute durchaus Schweinefleisch mir geringer Nahrungskonkurrenz erzeugen. Bei Rindfleisch und Milch geht das sogar völlig ohne Nahrungskonkurrenz. Und wenn man dann noch die Methanemission minimiert, erreicht man auch hier die Klimaneutralität, wenn das Futter aus CO2-Senken stammt wie etwa Gründüngung auf dem Acker oder Grünland.


In einer perfekten Welt…

..hat die vegane Produktion eindeutig Vorrang. Die essbaren Teile von Pflanzen sollten möglichst sauber von den nicht essbaren getrennt und die letzteren in erster Linie an Wiederkäuer verfüttert werden. Die so entstehenden hochwertigen Proteinquellen sollten maßvoll in den Ernährungsplan eingebaut werden. Was an nicht essbarer Biomasse übrig bleibt, kann zu Biogas und anderen Energieprodukten verarbeitet werden.


Der Dauerstreit zwischen Veganern und Mischköstlern ums Klima müsste also gar nicht sein?

Eigentlich nicht. Vegane und nicht-vegane Lebensmittel können sich ergänzen, natürlich immer in Abhängigkeit von individuellen Vorlieben. Fleischliebhaber müssen ebenso kompromissbereit sein wie Verfechter einer veganen Lebensweise. So wenig, wie „vegan“ automatisch „klimafreundlich“ bedeutet, so wenig bedeutet „Fleischkonsum“ zwangsläufig „klimafeindlich“. Auf das Verhältnis, die Mengen und die Herkunft kommt es an – bei allen Lebensmitteln. Nachhaltigkeit kann auch beim Fleisch nur in der Region realisiert werden.

Vielen Dank!

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