Klimaschutz und Milchwirtschaft – wie passt das zusammen?

Der Mythos vom „Klimakiller Milchprodukt“ hält sich hartnäckig, doch die Realität sieht anders aus. Die Milchwirtschaft spielt eine zentrale Rolle bei der Versorgung der Bevölkerung und trägt erheblich zur Wertschöpfung der Landwirtschaft bei.  Zusätzlich arbeitet die Branche – die weltweit gesehen einen Anteil von unter 10% bei den gesamten Treibhausgasemissionen verursacht – aktiv an Lösungen, um ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, Prozesse kontinuierlich zu optimieren und umweltfreundlicher zu gestalten. Wie bei allen Lebensmitteln, auch bei solchen pflanzlichen Ursprung, entstehen bei der Produktion und Verarbeitung Treibhausgase. Den dadurch bedingten Herausforderungen im Kampf gegen die Erderwärmung haben sich die Erzeuger:innen und Verarbeiter:innen von Milch in gleichem Maße angenommen.

Treibhausgase entstehen auf den Bauernhöfen, aber auch bei der Weiterverarbeitung der Milch in den Molkereien und beim Transport vom Hof zur Molkerei und später zum Supermarkt. Doch die Milchwirtschaft setzt auf Fortschritt. „Wie alle Branchen, die auf natürlich Prozesse angewiesen sind, wird auch die Milchbranche nie null Emissionen erreichen können“, sagt Lorenz Maurer, Wissenschaftler vom Institut für Agrarökonomie der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in München. „Aber die Branche kann an vielen Stellschrauben drehen, um den CO2-Ausstoß signifikant zu senken.“ Und genau das geschieht aktuell. Dabei gibt es kein Patentrezept, das für alle Molkereien und die zuliefernden Höfe funktioniert. Es ist ein Mix verschiedener Maßnahmen, die zum Ziel führen.

Was passiert schon heute, um die Milchbranche klimafreundlicher zu gestalten? Und wo geht es in Zukunft hin? Ein Überblick.


Klimaschutz in Milchviehbetrieben

Der größte Teil der Emissionen in der Milchwirtschaft fällt in der Landwirtschaft an. Wo können also Milchviehbetriebe ansetzen? Für Landwirt Martin Pruy aus der Oberpfalz ist die Lösung klar: „Effizienz!“. Auf seinem Hof setzt er auf eine effiziente Kreislaufwirtschaft, beginnend bei hochwertiger Futtermischung aus größtenteils selbst angebauten Pflanzen. So spart er mineralischen Dünger und Transportwege. Aus der Gülle seiner Tiere gewinnt Pruy grüne Energie. Die Gülle transportiert er unterirdisch in seine Biogasanlage. Das vermindert austretende Gasmengen. Die Gärreste nutzt er als wertvollen Dünger für seine Felder. Damit schließt sich der Kreislauf.

All das sind Maßnahmen, die sich lohnen! Der Klimarechner der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) bewertet die Klimabilanz des Betriebs von Martin Pruy als sehr gut. Der Klimarechner, ein frei zugängliches und kostenloses Online-Programm, ermöglicht es Milchkuhhalterinnen und -haltern und anderen landwirtschaftlichen Betrieben, die Klimawirkung ihrer Erzeugnisse zu ermitteln und für ihren Betrieb passende und wirksame Klimaschutzmaßnahmen zu identifizieren. Lorenz Maurer, Wissenschaftler vom Institut für Agrarökonomie der LfL, und sein Team entwickeln den Klimarechner kontinuierlich weiter, Hand in Hand mit Landwirtinnen und Landwirten wie Martin Pruy. So tragen Wissenschaft und Landwirtschaft dazu bei, eine der größten Herausforderungen der Branche zu lösen: die Erhebung von verlässlichen und vergleichbaren Daten.

Allen Beteiligten ist klar: Eine nachhaltige Milchwirtschaft muss Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und soziale Aspekte verbinden. Wie das gelingt, zeigt dieses Video:

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Klimaschutz bei Molkereien

Um den ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich zu halten, entwickeln auch Molkereien stetig neue Lösungen – von der Optimierung des Energie- Managements bis zu effizienten Logistikprozessen. Hier nur einige von vielen Beispielen, die zeigen, an welchen Stellschrauben Molkereien in ganz Bayern drehen:

  • Verpackungslösungen: Molkereien setzen auf nachhaltige Verpackungen, die teilweise vollständig recycelbar sind. Viele Initiativen zielen darauf ab, umweltfreundliche Materialien zu entwickeln sowie Reinigungsverfahren voranzutreiben, mit denen sich gebrauchte Kunststoffe wiederverwenden lassen – klimaschonend und in Lebensmittelqualität. Der beste Verpackungsmüll ist solcher, der gar nicht erst anfällt.  Deshalb arbeiten Molkereien in Bayern kontinuierlich daran, Verpackungsmaterial zu reduzieren und Verpackungsgewichte zu optimieren. Das spart Energie und andere wichtige Ressourcen.

 

  • Energieeinsparung und -nutzung: Moderne Technologien wie Hochtemperaturkreisläufe senken den Energieverbrauch in der Produktion deutlich. Viele Molkereien nutzen darüber hinaus Solarstrom, der auf ihren Dächern und Freiflächen erzeugt wird, sowie Blockheizkraftwerke, die hocheffizient Strom und Wärme produzieren. Auch die Abwärme aus Produktionsprozessen bleibt nicht ungenutzt, sondern wird weiterverwendet. All diese Maßnahmen tragen dazu bei, den Energieverbrauch erheblich zu reduzieren.

 

  • Wassermanagement: Ein zentrales Anliegen vieler Molkereien ist die nachhaltige Nutzung von Wasser. So zielen neuen Technologien darauf ab, zum Beispiel Brüdenwasser, das beim Eindampfen von Milch und Molke entsteht, aufzubereiten und auch Klarspülwasser wiederzuverwenden. Das senkt den Wasserverbrauch beträchtlich. Autarke Wasserversorgung durch eigene Brunnen sowie wassersparende Produktions-Methoden und -Anlagen unterstützen ebenfalls die nachhaltige Nutzung dieser wertvollen Ressource.

 

  • Abfallmanagement: Molkereien arbeiten kontinuierlich daran, Abfälle zu reduzieren, die bei der Weiterverarbeitung von Milch und der Erzeugung von Milchprodukten anfallen. Auch hier gilt es, Recyclingkreisläufe zu schließen und Produktionsprozesse zu optimieren. Lebensmittelverschwendung ist ein großes Thema. Viele Molkereien testen aktuell innovative Verfahren zur Weiterverwertung von Milchbestandteilen, die bei der Erzeugung von Milchprodukten bislang ungenutzt blieben. Zudem verbessern sie ihre Lagerhaltung und optimieren ihre Produktionsplanung. Einige Betriebe geben Überbestände an die Tafeln ab und sensibilisieren auch Verbraucher:innen für den achtsamen Umgang mit Lebensmitteln.

 

  • Förderung der Biodiversität: Viele Molkereien engagieren sich auch für die Erhöhung der Artenvielfalt. Sie legen zum Beispiel Naturweiher, Insektenhotels oder Blühstreifen auf ihren Werksgeländen an, fördern ihre landwirtschaftlichen Betriebe bei solchen Maßnahmen finanziell oder unterstützen Umweltorganisationen in ihrer Nachbarschaft.

 

Diese Beispiele verdeutlichen: Auch für Molkereien gibt es keine Patentrezepte. Abhängig von Betriebsgröße, Zulieferbetrieben, geografischer Lage und vielen weiteren Faktoren braucht es auch hier einen maßgeschneiderten Maßnahmen-Mix für nachhaltigen Klima- und Umweltschutz. Das gelingt nicht von heute auf morgen, sondern Schritt für Schritt.

Wer mehr Details wissen möchte, findet beispielsweise auf den jeweiligen Internetseiten der Molkereien mehr Informationen.


Klimaschutz auf der Straße

Neben den Milchviehbetrieben und Molkereien gibt es einen weiteren Bereich, der durch innovative Maßnahmen künftig klimaschonend unterwegs sein will: die Milchlogistik. Alternative Antriebe und Kraftstoffe wie Elektro-Motoren, Wasserstoff, Gas und Bio-Fuels könnten den CO2-Ausstoß in der Milchlogistik signifikant senken.

Und auch eine smarte Routenplanung mit Hilfe komplexer Computerprogramme wird künftig Extra-Kilometer und damit CO2 einsparen. In Kooperation mit der Technischen Universität München hat der Molkereiverband milch.bayern dazu ein entsprechendes Pilotprojekt gestartet. Was hier ebenfalls erforscht wird: Wie Milchviehbetriebe auch zu „Tankstellen“ für alternative Treibstoffe und Strom aus erneuerbaren Energien werden können – und damit zum Teil der Lösung für die Herausforderungen im Klimaschutz.

Von den Ergebnissen der Untersuchung kann die gesamte Logistikbranche profitieren.


Was kann ich als Verbraucher:in tun?

Die Milchbranche ist auf dem Weg zu mehr Klimaschutz – in den Molkereien, auf den Höfen und auf der Straße. Doch auch Verbraucherinnen und Verbraucher können einen Beitrag leisten, indem sie bewusst einkaufen und konsumieren. Folgende Punkte gilt es zu beachten:

  • Verpackungsinnovationen nutzen: Viele Molkereien bieten Produkte in plastikreduzierten Verpackungen an und entwickeln diese kontinuierlich weiter. Doch nur wenn Menschen auch bereit sind, zum Beispiel die Papierbanderole vom Becher zu lösen und die Wertstoffe vom Restmüll zu trennen, lässt sich das ganze Potential umweltfreundlicher Verpackungen voll ausschöpfen.

 

  • Lebensmittelverschwendung reduzieren: Wie bei allen anderen Lebensmitteln gilt auch bei Milchprodukten: Das Mindesthaltbarkeitsdatum verrät, wie lange diese mindestens haltbar sind. Das Datum ersetzt aber nicht die Prüfung mit denen eigenen Sinnen. Gerade Milchprodukte sind oft noch viele Tage nach Ablauf des MHD einwandfrei. Also besser erst mal hinschauen, riechen und schmecken, bevor das Lebensmittel in die Tonne wandert. Wer durchdacht und mit Einkaufszettel in den Laden geht, kauft in der Regel auch nur so viel, wie er verbraucht.

Sind Milchprodukte noch vertretbar?

Die Milchwirtschaft hat in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit gemacht. Durch die Umsetzung zahlreicher Maßnahmen konnte der CO2-Fußabdruck bereits erheblich reduziert werden. Und wenn Molkereien, Milchviehbetriebe und die Wissenschaft zusammenarbeiten, wie es vielerorts in Bayern geschieht, wird diese positive Entwicklung weiter vorangetrieben werden. Auch Verbraucherinnen und Verbraucher können ihren Beitrag leisten.

Doch Fakt ist: Wie schon eingangs erwähnt – eine klimaneutrale Null-Emission von Treibhausgasen wird die Produktion von Milchprodukten nie erreichen. Das gilt genauso für sämtliche Ersatzprodukte der Milch. Bleibt die Frage: Können wir im Hinblick auf die Herausforderungen der heutigen Zeit überhaupt noch guten Gewissens Milch und Milchprodukte verzehren? Fachleute warnen vor Schwarz-Weiß-Denken und einfachen Antworten. „Auf das Verhältnis, die Mengen und die Herkunft kommt es an – bei allen Lebensmitteln“, sagt Prof. Wilhelm Windisch, Ordinarius für Tierernährung an der TUM School of Life Sciences. „So wenig, wie `vegan´ automatisch ´klimafreundlich´ bedeutet, so wenig bedeutet ´Fleischkonsum´ zwangsläufig ´klimafeindlich´.“ Hier geht’s zum ganzen Interview.

Bayern bietet ideale Voraussetzungen für die Haltung von Milchkühen – Regionen in Wüstengebieten dagegen nicht. Diese regionalen Unterschiede berücksichtigt auch die „Planetary Health Diet“, die gesund ist, Ressourcen spart und das Klima schont. Auch bei dieser Ernährungsform, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt entwickelt haben, sind Milch und Milchprodukte ein wichtiger Bestandteil auf dem Speisezettel.

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