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Almbauer Anderl: „Arbeiten, wo andere Urlaub machen.“

Strahlender Sonnenschein, saftig-grüne Wiesen, Blumen am Balkon und ein Kunstwerk aus rund 200 bunten Bällen: Mit diesem traumhaften Anblick empfängt uns Almbauer Anderl Aigner auf seinem Naderbauer-Hof in Piesenhausen (ein Ortsteil der Gemeinde Marquartstein) im oberbayerischen Landkreis Traunstein.
Mit seiner Frau Steffi und den drei (bald vier) Kindern (9 Jahre, 4 Jahre und 1 Jahr) übernahm der 33-Jährige vor knapp zwei Jahren von seinem Vater Hans Aigner die Verantwortung für die Piesenhausener Hochalm, die Naderbauer Niederalm sowie den Naderbauer-Hof mit Milchviehbetrieb mit insgesamt knapp 120 Tieren hauptsächlich Fleckvieh.
„Als ältester Sohn von fünf Geschwistern stand schon immer fest, dass ich den Betrieb eines Tages übernehmen werde“, sagt Anderl: „Allerdings habe ich nach der Schule zuerst eine Ausbildung als Zimmerer gemacht, später noch eine landwirtschaftliche Ausbildung drangehängt. Sonst könnte ich all die Renovierungsarbeiten auf der Alm ja gar nicht selbst erledigen.“
„Früher waren es 11 Berechtigte und zehn Kaser“, erzählt Aigner über die Piesenhausener Hochalm, einer Recht-Alm*. Doch nach und nach hörten die Bauern mit der Almwirtschaft auf, der letzte 1993. Seitdem haben die Aigners das alleinige Weiderecht des Freistaats Bayern auf der Hochalm, sind aber auch für die Arbeit (Bewirtschaftung, Pflege, Weg) verantwortlich.
Der Hof und die Almen sind bereits seit 1467 in Familienbesitz. Später kamen noch zehn Hektar Wald und 44 Kubikmeter Recht-Holz** dazu. Derzeit leben mit Anderls Großmutter Rita (82 Jahre alt), seinen Eltern Annemarie (59) und Hans (62) sowie Frau und Kindern vier Generationen auf dem Hof. Da braucht es eine klare Aufgabenverteilung. Anders geht es bei der Fülle an verschiedenen Arbeiten auf solch einem Alm-, Lohn- und Milchviehbetrieb gar nicht.

Hier entlang für eine Übersicht der bayerischen Almen und Verhaltenstipps, die man beim Wandern in den Bergen beachten sollte.


Traumhafter Ausblick als Belohnung

Im Frühjahr beginnt der Landwirt mit dem Hochziehen der Weidezäune. 8,5 Kilometer Holz- und Stacheldraht-Zaun sind dann zu befestigen – rund 200 Arbeitsstunden benötigt er (mit Unterstützung von Freunden) für den Auf- und Abbau im Frühjahr bzw. Herbst.
„Im Mai treiben wir dann die Jungrinder auf die Hochalm“, erklärt Aigner: „Für den Auftrieb brauchen wir etwa 15 bis 20 Leute. Die müssen schauen, dass die Rinder auf der Straße bzw. auf dem Weg bleiben, dass sie nicht in steiles Gelände kommen – sodass wir am Ende alle Tiere gesund hier rauf bekommen.“
Oben angekommen werden die Tiere alle zwei bis drei Wochen auf den drei verschiedenen Parzellen der Hochalm umgetrieben, damit die saftigen Almwiesen auch gleichmäßig abgefressen werden.
Mit etwa 32 Hektar Weidegebiet und atemberaubenden Panoramablick über das Alpengebiet Richtung Süden bis zum Großvenediger, Großglockner und dem Kaisergebirge, die Kampenwand im Westen sowie dem gesamten Chiemseegebiet im Norden liegt die Piesenhausener Hochalm einfach traumhaft.
„Die Besonderheit auf der Alm hier ist, dass wir einen super Weitblick haben. Man kann da nach Feierabend wirklich sehr gut entspannen“, erzählt der Familienvater.
Auf immerhin noch 1.060 m Metern kann man aber auch auf der Naderbauer Niederalm noch traumhafte Sicht genießen. Über den Sommer weiden dort rund 25 Jungtiere, ganzjährig können Gäste auf der Selbstversorger-Alm Urlaub machen.
In den Sommermonaten werden alle Zäune vom Landwirt höchstpersönlich 14-tägig auf Durchgängigkeit und andere Schwachstellen überprüft, „damit auch kein Tier abhandenkommt.“

Traumjob Sennerin

Einen Teil der Arbeit auf der Alm erledigen zwei jährlich wechselnde Sennerinnen. In diesem Jahr haben Anna (31) und Angela (23) den außergewöhnlichen Job ergattert, und unterstützen Anderl und seine Familie von Mai bis Oktober.
„Wir sind beide Berg-fanatisch und wollten so etwas schon immer machen“, erklärt die gelernte Gärtnerin Anna: „Wir stehen mit Sonnenaufgang auf und gehen mit Sonnenuntergang ins Bett. Das ist einfach toll.“
Zu den Aufgaben auf der Hochalm gehören neben dem Verköstigen der Gäste das Melken der Kühe, das Käsen sowie das Füttern und Stall ausmisten bei den vier Schweinen sowie das tägliche Kontrollieren und Zählen der Rinder.
„Mittags ist die beste Zeit. Da legen sich die Tiere gerne hin und lassen sich somit leichter Zählen“, erklärt Angela. „Bislang ist noch zum Glück kein Tier ausgebüchst oder vom Blitz erschlagen worden.“ Durchschnittlich trifft es auf dieser Hochalm ein Tier pro Saison.
Etwa 100 Liter Milch melken und verarbeiten die beiden Sennerinnen vor Ort täglich zu Schnittkäse und in Öl eingelegten Weichkäse. Der Schnittkäse wird im Käsekeller gelagert, täglich gedreht und gewaschen. Die gesamte Molke wird an die Schweine verfüttert.
Neben dem hausgemachten Käse, Kaffee und selbstgebackenen Kuchen werden die Wanderer von Anna und Angela auch mit dem Speck der Aigner’schen Schweine verköstigt. Die restlichen Lebensmittel wie Getränke und andere Alltagsprodukte liefert Anderl den Sennerinnen auf die Alm. Ansonsten sind die beiden oftmals auf sich alleine gestellt – und das genießen sie auch.
„Jeder, der sich denkt: ‚Wie toll, so etwas würde ich auch gerne mal machen!‘ Dem kann ich nur raten: Einfach machen!“, erklärt Angela.

Die Familie hilft zusammen

Um die restlichen 28 Milchkühe im Tal, die zusätzlich zum Stall viel auf der Weide stehen, kümmert sich im Sommer Anderls Vater Hans. „Ohne ihn würde ich es nicht schaffen. Da müssten wir uns Hilfe von außen holen“, erklärt der 33-Jährige Landwirt.
Zumal auf dem Betrieb mit rund 40 Kälbern im Jahr auch ordentlich Durchlauf herrscht. Die Fleisch-bringenden Tiere bleiben etwa drei Sommer auf den Almen. Geschlachtet werden die Tiere von einem Metzger nur wenige Kilometer entfernt.
Das zarte Almrindfleisch sowie den Käse verkauft Anderls Frau Steffi auch auf dem Hof. Ebenso obliegt ihr die Alm-Vermietung sowie das jährliche Einlernen der Sennerinnen beim Käsen sowie allen anderen Belangen, die sie für die Bewirtschaftung der Gäste und das Leben auf der Alm haben.

Das Wetter entscheidet über den Tagesablauf

Neben den eigenen alm-wirtschaftlichen Tätigkeiten und der Unterstützung der beiden Sennerinnen hat Anderl Aigner noch weitere zeitaufwendige Verpflichtungen. Neben der Bewirtschaftung der zehn Hektar Wald ist er außerdem für den Weg auf die Alm verantwortlich. Die rund 7,5 Kilometer lange Strecke muss er mit den Verbandsmitgliedern in Stand halten. Für die eigene und die Sicherheit der Wanderer ist er als Vorstand des Wegeverbandes verantwortlich.
Auch der eigene Silomais- bzw. Ackergras-Anbau steht auf der langen ToDo-Liste des Almbauers. Zusätzlich übernimmt er mit einem kleinen Lohnunternehmen und Erntearbeiten für Landwirte der Region.
„Die Abwechslung macht meinen Job und das Leben hier so besonders. Jeder Tag ist anders“, erklärt Anderl: „Das Wetter ist die größte Unbekannte und der bestimmende Faktor in meinem Tagesablauf. Gewitter, Starkregen, starke Schneefälle wie in diesem Winter oder auch lange Hitze-Perioden – all das entscheidet über meinen Tagesablauf.“

Die Zukunft scheint gesichert

Doch der Landwirt und seine Familie sind zufrieden. Nach den letzten anstrengenden Jahren mit Renovierungsarbeiten an der Hoch- und Niederalm, der dritten Hütte, dem Stallneubau sowie der Sanierung des Wohnhauses hatte der 33-Jährige alle Hände voll zu tun. Ein paar Projekte wie die Vermietung von Ferienwohnungen am Hof, sind zudem noch in Planung. Und die nächste Generation wächst bereits heran: drei, bald vier Kinder, davon zwei Jungs – da scheint der Naderbauer-Hof auch in der kommenden Generation im Besitz der Aigners gesichert.
„Ich hoffe, dass es weitergeht – und da glaube ich auch ganz fest dran!“, gesteht Anderl. „Warum auch nicht“, sagt der selbst noch junge Landwirt: „Schließlich arbeiten wir da, wo andere Urlaub machen.“

*Recht-Alm, auch Berechtigunsgalm genannt: Sie ist Eigentum des Staates. Der Berechtigte hat das Recht, sein Vieh auf der Almweide grasen zu lassen – ohne jegliche Kosten.
**Recht-Holz (Achental): Holzrechtler haben das Recht im Wald des Staates jährlich eine bestimmte Menge an Stammholz arbeiten zu dürfen – ohne jegliche Kosten.

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